Sie sind noch keine 40, vergessen aber ständig Namen, Verabredungen oder wo der Schlüssel liegt? Viele Menschen verbinden Gedächtnisprobleme automatisch mit dem Alter. Doch Vergesslichkeit im jungen Alter ist keine Seltenheit und oft ein Zeichen unseres modernen Lebenswandels. Dieser Artikel klärt Sie auf, welche Ursachen dahinterstecken können, wann sie harmlos sind und wann Sie besser professionellen Rat einholen sollten.
Jeder Mensch ist hin und wieder vergesslich. Das Gehirn filtert unwichtige Informationen heraus, um Wichtiges zu priorisieren. Von behandlungsbedürftigen Gedächtnisproblemen in jungen Jahren spricht man erst, wenn die Vergesslichkeit:
Ein guter Anhaltspunkt zur Beurteilung ist die Einschätzung von Menschen, die Ihnen nahe stehen. Wundern sie sich über Ihre Vergesslichkeit? Haben Sie den Ruf, sich wichtige Informationen oder Termine schlecht merken zu können? Wenn Ihre Vergesslichkeit bei verschiedenen Personen mehrfach auffällt, lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
Die Gründe für Vergesslichkeit im jungen Alter sind vielfältig und in den meisten Fällen an sich kein Grund, sich übermäßige Sorgen zu machen. Oft ist es eine Kombination aus mehreren Faktoren.
Bei sehr jungen Menschen hängen Gedächtnisprobleme oft mit anderen kognitiven Störungen durch Entwicklungsprobleme und Verhaltensauffälligkeiten zusammen. Auch Trauma und Vernachlässigung können hier eine Rolle spielen.
Dauerhafter Stress ist eine der Hauptursachen für Vergesslichkeit und Unkonzentriertheit. Unter Druck schüttet der Körper Kortisol aus. Dieses Hormon kann bei chronischem Überschuss den Hippocampus schädigen – die Gehirnregion, die für das Gedächtnis zentral ist.
Viele von uns hetzen von Termin zu Termin, haben private Verpflichtungen und stehen ständig unter Strom. Unser Gehirn ist so mit der Bewältigung der Reizflut beschäftigt, dass es Kapazitäten für das Abspeichern neuer Informationen verliert. Kurz gesagt: Der Arbeitsspeicher ist voll!
Schlaf ist essenziell für die Gedächtniskonsolidierung. In den Tiefschlafphasen sortiert und speichert das Gehirn die Erlebnisse des Tages. Bei chronischem Schlafmangel wird dieser Prozess unterbrochen. Die Folge davon: Informationen werden nicht dauerhaft abgelegt und Sie werden vergesslich und unkonzentriert.
Vergesslichkeit und psychische Ursachen hängen eng zusammen. Einer der häufigsten Auslöser für ungewöhnliche Vergesslichkeit bei jungen Menschen sind tatsächlich Depressionen.
Eine Depression ist keine reine Traurigkeit, sondern eine ernsthafte Erkrankung, die neurobiologische Prozesse stört. Energiemangel, Grübeln und Konzentrationsstörungen sind klassische Symptome, die direkt mit Gedächtnisproblemen zusammenhängen.
Auch Angststörungen und Burnout machen vergesslich und zerstreut. Anhaltende Ängste oder ein Zustand der völligen Erschöpfung beanspruchen immense kognitive Ressourcen, die dann für das Merken nicht mehr zur Verfügung stehen.
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) ist eine sehr relevante und oft übersehene Ursache für Vergesslichkeit bei jungen Menschen. Im Gehirn von Betroffenen herrscht ein Ungleichgewicht bestimmter Botenstoffe (vor allem Dopamin und Noradrenalin), die für die Regulation von Aufmerksamkeit, Impulsen und der Exekutivfunktionen zuständig sind.
Informationen können nur kurz festgehalten und schlecht "zwischengelagert" werden. Das führt verstärkt zu der klassischen Situation: “Ich wollte gerade was machen... was war es gleich?", oder “Was wollte ich nochmal in diesem Raum gerade holen?”.
Betroffene sind außerdem leicht ablenkbar durch äußere Reize oder eigene Gedanken. Dadurch wird Information gar nicht erst zuverlässig aufgenommen und kann folglich auch nicht abgespeichert werden.
Tabelle: Vergleich der Vergesslichkeit durch ADHS und durch Depression
Merkmal | Typische ADHS-Vergesslichkeit | Vergesslichkeit durch z.B. Depression |
Art der Vergessenheit | Chaotisch, sprunghaft: Dinge werden verlegt, Termine vergessen, Man kommt vom Weg ab. | Global, antriebslos: Es fällt schwer, sich überhaupt zu etwas aufzuraffen oder sich zu konzentrieren. |
Begleitsymptome | Innere Unruhe, Getriebenheit, Impulsivität, Desorganisation, Prokrastination | Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, Interessenverlust, Energiemangel |
Situativer Einfluss | Tritt in allen Lebensbereichen auf (Beruf, Privates, Hobbys). | Kann situationsabhängig schwanken, ist aber often ein durchgängiger Zustand. |
Das Gehirn benötigt konstant Glukose, um optimal zu funktionieren. Ein niedriger Blutzuckerspiegel durch unregelmäßiges Essen kann die kognitive Leistung stark beeinträchtigen.
Auch Dehydration macht vergesslich: Viele von uns trinken zu wenig (oder konsumieren mehr Kaffee als Wasser…). Wassermangel kann zu Verwirrtheit, Zerstreutheit und Vergesslichkeit führen. Dieser Effekt ist so stark, dass bei älteren Menschen die Symptome von Flüssigkeitsmangel manchmal als Demenz fehlinterpretiert werden.
Der Zusammenhang zwischen Alkohol und Gedächtnisverlust ist zweierlei:
Die Schilddrüse produziert Hormone, die den Stoffwechsel regulieren. Dazu gehört auch die Energieversorgung des Gehirns. Eine Unterfunktion der Schilddrüse kann zu einer Unterversorgung des Gehirns führen, wodurch es langsamer arbeitet.
Ein Mangel an Vitamin B12 hat Auswirkungen auf das Nervensystem. Die Signalweiterleitung ans Gehirn wird langsamer, unpräzise und kann ganz unterbrochen werden.
Viele Medikamente wirken nicht nur gezielt an einer Stelle, sondern entfalten ihre Wirkung im gesamten Körper – und damit auch im Gehirn. Symptome wie Vergesslichkeit gehört zu den möglichen Nebenwirkungen unter anderem der folgenden Medikamente:
Nach einem Schädel-Hirn-Trauma ist Vergesslichkeit ein häufiges Problem. Besonders das Kurzzeitgedächtnis ist often betroffen. Betroffene können sich schlecht an neue Informationen erinnern oder Gesprächen folgen. Bei anhaltenden Beschwerden ist eine neurologische Abklärung unbedingt erforderlich.
Wenn Sie um die 40 sind und plötzlich das Gefühl haben, Ihr Gedächtnis macht Pause, sind Sie nicht allein. Vergesslichkeit mit 40 ist ein häufiges Phänomen und meist kein Grund für Panik vor einer ernsthaften Erkrankung oder außergewöhnlich frühzeitiger Alterung des Gehirns. Stattdessen ist es often das Zusammenspiel von normalen körperlichen Veränderungen und den typischen Belastungen dieser Lebensphase.
Bei vielen Menschen beginnt in diesem Alter eine hormonelle Umstellung (Peri-Menopause bei Frauen, Andropause bei Männern), die auch die Gehirnfunktion beeinflussen kann. Bei starken Symptomen wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und massiver Vergesslichkeit kann ein Gespräch mit dem/der Gynäkolog:in oder Urolog:in/Endokrinolog:in sinnvoll sein.
Zudem häufen sich in dieser Lebensphase oft stressige Verantwortungen (Beruf, Familie, pflegebedürftige Eltern), was die oben genannten Faktoren verstärkt. Mit 40 befinden Sie sich oft genau in der Lebensphase mit der höchsten Verantwortungsdichte – man spricht von der "Sandwich-Generation".
Sie sind oft bereits seit Jahren eingekeilt zwischen den Ansprüchen ihrer Kinder, ihres Berufs und ihren alternden Eltern und spüren den kumulativen Effekt auf die Konzentrationsfähigkeit und Erinnerungsfähigkeit.
Nicht jede Vergesslichkeit ist ein Grund zur Sorge. Als ersten Schritt können Sie auch in Ihrer lokalen Apotheke nachfragen: Vielleicht helfen Ihnen bereits spezielle Tipps oder pflanzliche Präparate, um sich gedanklich fitter zu fühlen. Apotheken können Sie zu folgenden Themen beraten:
Sie sollten jedoch einen Arzt oder eine Ärztin konsultieren, wenn:
Sprechen Sie das Problem in Ihrer Hausarztpraxis an. Von dort aus werden Sie bei Bedarf an die Fachbereiche Neurologie oder Psychiatrie überwiesen.
Führen Sie einen Kalender oder nutzen Sie Erinnerungs-Apps. Schaffen Sie Routinen (z.B. Schlüssel immer an den gleichen Platz legen). Gönnen Sie sich Pausen und lernen Sie, "Nein" zu sagen.
Fordern Sie Ihr Gehirn heraus: lernen Sie eine neue Sprache, ein Musikinstrument oder lösen Sie Rätsel. So bilden sich neue neuronale Verknüpfungen.
Achten Sie auf 7–8 Stunden qualitativ hochwertigen Schlaf. Versorgen Sie sich mit brainfood wie Nüssen, fettem Fisch, Beeren und ausreichend Wasser.
Sport fördert die Durchblutung des Gehirns und baut Stress ab.
Anregende Gespräche und soziale Interaktion sind das beste Training für unser Gehirn.
Gedächtnisprobleme in jungen Jahren sind häufig ein Warnsignal des Körpers für Überlastung, Stress oder eine unausgewogene Lebensweise. In den meisten Fällen sind sie reversibel. Hören Sie auf die Signale Ihres Körpers, gönnen Sie sich Pausen und zögern Sie nicht, bei anhaltenden Problemen oder dem Verdacht auf eine Depression professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nutzen Sie auch das Angebot Ihrer lokalen Apotheke für eine erste, unverbindliche Beratung.
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